Testosteron

Testosteron ist ein wichtiges Sexualhormon, das bei beiden Geschlechtern vorkommt, sich dabei aber in Konzentration und Wirkungsweise bei Mann und Frau unterscheidet. Es bewirkt z. B. als „männliches Geschlechtshormon“. Testosteron wird in den Hoden, zum geringen Teil auch in der Nebenniere, gebildet und in die Blutbahn abgegeben. Dort ist es zum größten Teil an ein Transporteiweiß (SHBG) gebunden.

Nur das nicht gebundene Testosteron ist biologisch aktiv. Es spielt eine wichtige Rolle beim Wachstum und bei der sexuellen Differenzierung, der Ausbildung des männlichen Erscheinungsbildes sowie der Sexualfunktion. Weitere Wirkorte des Testosterons sind u. a. die Muskeln, die Prostata, die Haarfollikel, die Haut, die Fettspeicher und die Haut. Aber auch im Zentralen Nervensystem (ZNS) wirkt das Geschlechtshormon und wirkt so auf die Psyche. So hat es einen großen Einfluss auf die Gehirnfunktion die allgemeine Stimmungslage, Agressivität und sexuelle Lust (Libido). Entgegen weit verbreiteter Ansicht ist die Gliedversteifung (erektile Potenz) nur sehr eingeschränkt von dem Testosteronspiegel abhängig. Wichtig ist auch die schützende Funktion von Testosteron auf Herz und Gefäße. Mehrere Langzeitstudien haben gezeigt, dass die Lebenserwartung bei Männern mit der Höhe des Testosteronspiegels positiv korreliert.

Nach der Produktion unterliegt das Testosteron einem komplexen Regelkreislauf durch andere Organfunktionen, wie der Schilddrüse, der Hypophyse und der Nebennieren.

Ein Testosteronmangel kann in der Pubertät durch einen verzögerte Anstieg, bei jungen Männern durch Entzündungen, Verletzungen, Tumore (Krebs) oder einen angeborenen Hochstand der Hoden bedingt sein. Der Fachbegriff hierfür ist Hypogonadismus. Die häufigste Form des Testosteronmangels ist jedoch derso genannte Late-Onset Hypogonadismus, von dem bis zu 30 % aller über vierzigjährigen Männer betroffen sind. Klinische Symptome des Testosteronmangels sind Störungen der Sexualfunktionen ( verminderte sexuelle Lust, Ekaulationsstörungen sowie eingeschränkzt auch Erektionsstörungen), eine nachlassende körperliche Leistungsfähigkeit, fehlende Muskelkraft, zunehmende Osteoporose (Knochenbrüchigkeit), Blutarmut (Anämie) und eine Erhöhung des Blutzuckers bis hin zum Diabetes. Behandelt wird der Hypogonadismus meist mit einem testosteronhaltigen Gel bzw. mit 2-3 wöchentlichen oder 2-3 monatigen Testosteron-Depotspritzen.

Biologische Funktionen von Testosteron:

Sexualhormon

Bereits in der Embryonalzeit führt Testosteron zum Wachstum der äußeren Geschlechtsorgane (Penis und Hodensack) und der inneren Geschlechtsorgane (Prostata, Samenblasen). In der Pubertät ist dann Testosteron dafür verantwortlich, dass Penis und Hodensack auf Erwachsenengröße wachsen und sich die Schamhaare, Bart, Achsel- und männliche Körperbehaarung bilden. Zudem wachsen unter dem Einfluss von dem Metaboliten Dihydrotestosteron (DHT) auch die inneren Geschlechtsorgane Prostata und Samenblasen.

Testosteron ist der entscheidende Einflussfaktor auf die Sexualfunktionen beim Mann. Im Gehirn werden unter Mitwirkung des Testosterons die für die Erektion verantwortlichen Übertragungsstoffe (so genannte Neurotransmitter) gebildet. Diese sind für das typische männliche Triebverhalten verantwortlich.

In den Penisschwellkörpern ist Testosteron beteiligt am Aufbau der glatten Muskelzellen, welche die Penisversteifung (Erektion) einleiten. Es führt zur Bildung von Stickoxyd. Dies ist die Substanz, welche die Blutgefäße erweitert und dadurch die Durchblutung in allen Organen steigert, so auch in den Penisschwellkörpern, wodurch der Penis größer wird (Tumeszenz) und sich versteift (Rigidität).

Mitwirkend ist hier die so genannte Phosphodiesterase 5 (PDE 5): Spezifische Entzymhemmer (PDE-5-I) bewirken eine Verbesserung der Erektion. Hier sind verschiedene Medikamente auf Basis von vier verschiedenen Wirkstoffen auf dem Markt. Voraussetzung für die Wirksamkeit solcher Medikamente ist jedoch ein normaler Testosteronspiegel. Ein Mangel an Testosteron kann u. a. zu einer Verkleinerung des Penis und einer Schädigung der Schwellkörperfunktion führen.

Ein Testosteronentzug, sei es durch Entfernung des Hodengewebes (Kastration) oder auf medikamentöse Art (LRH-Analoga), z. B. bei bestimmten Formen von Prostatakrebs, führt zum Erliegen des typischen männlichen Triebverhaltens.

Übrigens verfügen auch Frauen über sehr geringe Mengen an Testosteron, was auch bei diesen für die sexuelle Lust mit verantwortlich ist.

Fruchtbarkeit

Für die Spermienbildung (Spermiogenese) und deren Vitalität sind die Hormone FSH, LH und Testosteron/Dihydrotestosteron verantwortlich. Ein Hormonmangel kann eine verminderte Fruchtbarkeit mit sich ziehen. Umgekehrt würde man eine Fruchtbarkeitsstörung in der Regel nicht mit einer Testosteronersatztherapie behandeln.

Gehirn & Psyche

Testosteron beeinflusst das Denkvermögen, das Gedächtnis, die Lernfähigkeit und die Psyche. Eine hohe Testosteronkonzentration im Blut kann neben einer Steigerung des Sexualtriebes auch zu vermehrter Aggression und einem antisozialen Verhalten führen.

Ein Mangel des Hormons kann zu einer depressiven Stimmungslage, Antriebsschwäche, Müdigkeit und sexuelle Lustlosigkeit führen.

Muskulatur & Knochenstoffwechsel

Testosteron wirkt direkt auf die Muskeln durch Stimulation der Eiweißbildung in den Muskelfasern. Diese nehmen an Größe zu, ohne dass es zu einem vermehrten Entstehen von Muskelfasern kommt. Aufgrund dieser Muskelstimulation wird Testosteron und seiner Abbauprodukte, auch als Anabolika bezeichnet, in der Body-Builder-Szene, im Kraftsport und als Dopingsubstanz missbraucht. Negative Folgen können u. a. Aggressivität, Unfruchtbarkeit und Zunahme des Herzmuskelgewichtes sein. Letzteres kann auch bei fitten Leistungssportlern unter extremer Belastung zum plötzlichen Herztod führen.

Testosteron ist auch mit verantwortlich für den Aufbau und somit die Mineralisation des Knochens. Gegen Ende der Pubertät führt die zunehmende Produktion von Testosteron zum Schluss der so genannten Epiphysenfugen der Knochen und damit zum Stopp des Längenwachstums.

Fettstoffwechsel

Durch die vermehrte Testosteronproduktion in der Pubertät kommt es zu einer geschlechtsspezifischen Änderung der Cholestrinsynthese und seiner Untergruppen. Es verändert ferner die Konzentration des Hormons Leptin. Leptin steuert den Fettstoffwechsel und somit den Fettaufbau entscheidend.

Bei einem Testosteronmangel kommt es durch Zunahme der Leptinkonzentration zu einer Zunahme der Fettmasse, insbesondere im Bereich der Bauchorgane. Den Fettgehalt des Körpers kann man mit dem so genannten Body Mass Indexes (BMI) bestimmen.

Stoffwechsel

Die in Industrieländern weit verbreitete Kombination von Cholesterinerhöhung, erhöhtem Bluthochdruck und Zuckerkrankheit (Diabetes) nennt man Metabolisches Syndrom.

Unter einem Metabolischen Syndrom versteht man das „tödliche Quartett“ von Übergewicht (Bauch-Taillenumfang > 102 cm bei Männern), Fettstoffwechselstörung (Cholesterin und Triglyceride), Bluthochdruck und Zuckerkrankheit (Diabetes). Diese Kombination ist mit einem deutlich erhöhten Sterblichkeitsrisiko auf Grund von Herzinfarkten und Schlaganfällen vergesellschaftet.

Die Definition des Metabolischen Syndroms nach der Weltgesundheitsbehörde (WHO) ist wie folgt:

  • Adipositas (Taillenumfang > 102 cm bei Männern und > 88 cm bei Frauen
  • HDL-Cholesterin < 40 mg% bei Männern und < 50 mg% bei Frauen
  • Triglyceride > 150 mg%
  • Blutdruck > 130/85 mmHg
  • Nüchternblutzucker (Glucose) > 110 mg%
Haut & Haare

Haarwurzeln (Haarfollikel) besitzen eine große Menge an Androgenrezeptoren, an die das Testosteron sowie das Dihydrotestosteron hier andocken können. Aus diesem Grunde kommt es in der frühen Pubertät zu einem vermehrten Haarwachstum und in der späten Pubertät zu Bildung von Bart und Körperbehaarung.

Eine männliche Glatzenbildung ist demgegenüber in der Regel genetisch bedingt und abhängig von einer normalen Testosteronkonzentration. Wird die Umwandlung von Testosteron in Dihydrotestosteron medikamentös gestoppt unterbleibt der genetisch bedingte Haarausfall.

Die Talgdrüsen der Haut werden durch Testosteron aktiviert. Hierdurch kommt es z. B. in der Pubertät zu einer häufigen Pickelbildung.

Kehlkopf

Unter der Testosteronwirkung kommt es in der Pubertät zum Wachstum des Kehlkopfes und die Ausgestaltung der Stimmbänder, woraus die im Vergleich zur Frau typisch tiefe männliche Stimme resultiert.

Herz-Kreislauf-System & Blutgefäße

Eine normale Testosteronkonzentratzion ist günstig für unser Herz-/Kreislaufsystem.

A. M. Traish und Kollegen haben in einem Übersichtsartikel aufgrund einer umfangreichen Literaturübersicht der Jahre 1980-2008 geschlussfolgert, dass ein Testosteronmangel ein absoluter kardiovaskulärer Risikofaktor darstellt und die Testosteronabgabe bei Männern mit Hypogonadismus dieses erhöhte Risiko von Herzinfarkten und Schlaganfällen potenziell reduzieren könnte.

(A. M. Traish et al: The dark side of testosterone deficiency: Cardiovascular disease. Journal of Andrology 2009)

Prostata

Die Prostata ist eine Drüse, welche die Harnröhre ringförmig umgibt. Unter dem Einfluss von Testosteron kommt es im Lauf des Alterns bei vielen Männern zu einer Größenzunahme. Diese kann zu einer Einengung der Harnröhre und damit zu Beschwerden beim Wasserlassen führen. Blockiert man medikamentös die Umwandlung von Testosteron in Dihydrotestosteron kommt es zu einer Verminderung der Prostatagröße.

Neben einer Prostatavergrößerung kann Testosteron auch das Wachstum eines sich hiervon unabhängig entstehenden Prostatakrebses fördern. Es kann jedoch heutzutage als gesichert gelten, dass eine Testosteronersatztherapie auf die Entstehung eines Prostatakrebes keinen Einfluss hat. Dieser sollte jedoch vor Einleitung einer Ersatztherapie ausgeschlossen werden.

Häufigkeit des Testosteronmangel (Hypogonadismus)

Die Testosteronkonzentration im Blut nimmt während des Erwachsenenalters gleichmäßig ab. Ein Achtzigjähriger hat eine um ca. 50 % verminderte Testosteronkonzentration gegenüber einem Achtzehnjährigen.

Gleichzeitig steigt das Sexhormon bindende Globulin (SHBG) zu und führt durch die vermehrte Bindung von Testosteron zu einer verminderten Konzentration an freiem Testosteron, welches für die biologische Wirkung entscheidend ist. Ca. 10 -45 % der älteren Männer haben erniedrigte Testosteronwerte.

Diagnostik des Testosteronmangels

Die Diagnose Hypogonadismus besteht dann, wenn:

  • typische klinische Symptome, wie oben beschrieben, vorliegen und
  • die im Blut gemessenen bzw. berechneten Werte für freies Testosteron an zwei verschiedenen Messzeitpunkten erniedrigt sind.

Die Symptome können standardisiert mit Hilfe des AMS-Fragebogens abgefragt werden.

Wenn möglich sollten die Testosteronwerte bei demselben Individuum immer zu einer ähnlichen Tageszeit, also entweder vormittags oder nachmittags in Abhängigkeit von seinem Lebensstil (Schlaf-Wachrhythmus!) und im gleichen Labor gemessen werden.

Therapie des Testosteronmangels

Sofern die Diagnose eines Testosteronmangels anhand entsprechender klinischer Symptome, bestätigt durch erniedrigte Testosteronwerte im Labor, gesichert ist, kommt eine Testosteronersatztherapie infrage.

Dieser erfolgt über das tägliche Auftragen eines Gels oder aber über Depotspritzen. Die Ersatztherapie mit Tabletten, Pflastern oder Lutschtabletten hat sich weniger bewährt. Die beste Art der Ersatztherapie wird Ihr Arzt gemeinsam mit Ihnen für Ihre spezielle Situation heraus finden.

Bei manifestem Hypogonadismus, z. B. durch einen beidseitigen Hodenverlust oder eine angeborene Funktionsstörung werden die Kosten in der Regel vollständig von der Krankenkasse übernommen. Die Behandlung des so genannten Altershypogonadismus (Late Onset Hypogonadismus) ist dagegen in der Regel eine Privatangelegenheit.

Nebenwirkungen der Testosteronbehandlung

  • Brust: Bei 3 % entwickelt sich eine Schwellung der Brustdrüse (Gynäkomastie).
  • Prostata: Selten PSA-Anstieg oder Zunahme einer vorbestehenden Prostatavergrößerung
  • Polyglobulie: Je nach Studie werden zwischen 5-15 % erhöhte Hämatokritwerte (Eindickung des Blutes) berichtet, durch Dosisanpassung teilweise korrigierbar
  • Haut: Akne (Stamm/Gesicht) vereinzelt, Haarausfall vereinzelt.
  • Psyche: Zunahme der Aggressivität, in Einzelfällen stark
  • Gewicht: In Einzelfällen Gewichtszunahme < 3-5 kg
  • Sexualität: Hypersexualität mit verlängerten nächtlichen Erektionen in Einzelfällen
  • Lunge/Bronchien: Schwere Hustenanfälle/Atemnot bei i.m. T-Injektionen (v.a. Nebido®) – pulmonale Mikroembolien- (Luftnot!)

Therapiekontrolle

Sollte bei Ihnen eine Testosteronersatztherapie durchgeführt werden, sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen (Laborwerte, Prostatacheck) zwingend erforderlich. Im Einzelfall zwingen Nebenwirkungen zur Dosisreduktion, selten zum Absetzen der Therapie, insbesondere wenn es zu einem Hämoglobinanstieg (Thrombose- und Emboliegefahr) oder zu Prostatareaktionen kommt.